Allgaeu MarkenPartner quer

NEUE NORMALITÄT

NEUE NORMALITÄT

Bewegte Zeiten: Dies lässt sich auch an den hohen Kursschwankungen ablesen, die die Finanzmärkte der vergangenen Wochen widerspiegelten – angetrieben von der Hoffnung auf Verhandlungslösungen sowie täglich neuen Nachrichten über

eskalierende Angriffe Russlands auf die Ukraine. An den west­lichen Börsen ist ein Crash bis dato ausgeblieben und andere Faktoren gewannen mehr Einfluss als der Krieg. Am Markt für US-amerikanische Staatsanleihen war es in einer ersten Reaktion auf den Krieg zu Kursgewinnen gekommen, denn US-Staatsanleihen gelten als sehr sicher. Nach dem 24. März war für ein paar Tage eine typische „Flucht in Sicherheit“ zu verzeichnen. Diese verstärkte Nachfrage nach US-Staatsanleihen sorgte dafür, dass die Rendite bei einer zehnjährigen Laufzeit von 2,0 auf rund 1,7 Prozent fiel.

Bereits in der ersten Märzhälfte wurde in den USA die Stärke der heimischen Wirtschaft wieder wichtiger als der Krieg in der Ukraine. So herrscht dort Vollbeschäftigung und des Geld sitzt nach zwei Jahren pan­demiebedingter Einschränkungen verhältnismäßig locker. Im Februar waren die US-Verbraucherpreise um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau gestiegen und damit so stark wie zuletzt vor 40 Jahren. Zur Inflationsbekämpfung begann die US-Notenbank Federal Reserve deshalb wie erwartet am 16. März mit der Erhöhung ihrer Leitzinsen. In einem ersten Schritt wurde die sogenannte Fed Fund Rate um einen Viertel Prozentpunkt auf die Spanne 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben. Die US-Zentralbanker erklärten in ihrem Zinsausblick, dass sie Ende 2022 ein Niveau von 1,9 Prozent für angemessen halten. Folglich dürften in den kommenden Monaten weitere Zinserhöhungen folgen. Auch am Anleihemarkt stiegen die Zinsen. Bei Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren auf gut 2,3 Prozent, bei US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit erstmals seit Sommer 2019 wieder auf fast 2,6 Prozent.

Für die Wallstreet ist der Krieg in der Ukraine weit weg. Am Tag des Angriffs gab es zwar Kursverluste, daraufhin erholte sich der Dow Jones jedoch schnell. Einen Monat nach dem Kriegsausbruch steht der populäre Leitindex des US-Aktienmarktes sogar 2,2 Prozent höher als unmittelbar vor dem russischen Angriff.

Stärker betroffen sind die Börsen in Europa, wobei die Auswirkungen des Krieges je nach Land, Branche und Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Aktienmärkte hatten bereits in den Wochen vor dem Kriegsausbruch mit steigender Nervosität auf den Konflikt reagiert. Der Angriff löste schließlich weitere Kursverluste aus. Einen Kursrutsch gab es am Freitag, dem 4. März, als der Euro-STOXX-50- Index erstmals seit Februar des Vorjahres unter 3.600 Punkte fiel. Am darauffolgenden Montag begann die neue Handelswoche erneut mit Kursverlusten. Im Verlauf des Tages notierte der Euro-STOXX-50 bei 3.387 Zählern. Dies war der niedrigste Stand seit November 2020, als die Nachrichten über wirksame Impfstoffe gegen das Corona-Virus für starke Kursgewinne gesorgt hatten. Seit dem 6. März erholen sich die europäischen Aktienmärkte, sodass der Euro-STOXX-50 im ersten Monat seit Kriegsbeginn nur 2,6 Prozent verloren hat.

Einen Totalverlust haben allerdings Investoren erlitten, die in Putins Russland investiert hatten. So hat Russland einen Monat nach Kriegsbeginn faktisch aufgehört, auf dem Weltkapitalmarkt zu existieren. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte sich der Wert der börsengehandelten russischen Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit halbiert. Daraufhin wurde der Handel an der Börse Moskau nahezu vollständig eingestellt. Zwar gibt es seit dem 21. März für Russen wieder die Möglichkeit, lokal russische Staatsanleihen und seit dem 24. März auch wieder Aktien von 33 russischen Unternehmen zu han­deln. Der Handel findet aber nicht unter normalen Bedingungen statt und ist faktisch vom Rest der Welt abgeschnitten.

An den westlichen Börsen werden aufgrund der Sanktionen keine russischen Aktien mehr gehandelt. Folgerichtig wurden russische Aktien aus den multinationalen Aktienindizes gestrichen. Die Indexanbieter MSCI und FTSE Russell haben russische Aktien zu Null aus ihren Aktienindizes herausgenommen. Betrof­fen davon sind indirekt die Anleger von Indexfonds, sogenannten ETFs, in denen Russland enthalten war. Vor allem die Wertentwicklung der MSCI-Indizes wird von zahlreichen ETFs abgebildet, die nun ihrerseits russische Aktien als Totalverlust abgeschrieben haben. Bis Anfang März wurde Russland in der Regel noch als „Emerging Market“ eingestuft, also als Schwellenland mit Entwicklungspotenzial. Nun wird das Land von MSCI als „Standalone Market“ klassifiziert. Als solches wird Russland nicht mehr in länderüber­greifenden MSCI-Indizes berücksichtigt.

DER RUBEL ROLLT NICHT MEHR UND GOLD GLÄNZT WIEDER

Wenn man die Verlautbarungen des Kreml verstehen will, darf man davon ausgehen, dass meistens genau das Gegenteil der Wahrheit gesagt wird. „Der Krieg verlaufe exakt nach Plan“, erklärt der Kreml an Tagen, an denen es schwere Rückschläge für die russischen Invasoren gibt. Als Diktator Putin erklärte, westliche Sanktionen könnten Russland nichts anhaben und würden das Land vielmehr noch stärker machen, durfte man daraus wohl schließen, dass die russische Wirtschaft vernichtend getroffen wird. Das russische Sozialprodukt dürfte sich in diesem Jahr etwa halbieren. Russland fällt auf das Niveau eines Entwicklungslandes zurück, ohne allerdings die Aussichten eines Entwicklungslandes auf eine positive Entwicklung zu haben.

Bei russischen Staatsanleihen bemühte sich Russland zuletzt noch erfolgreich darum, die fälligen Zinszahlungen in US-Dollar zu leisten. Die auf die Bewertung von Staatsanleihen spezialisierten Rating­agenturen rechnen allerdings damit, dass dies bald nicht mehr gelingt. Eine Bezahlung in russischen Rubel, die Moskau in beliebigen Mengen selbst drucken kann, wäre ebenfalls als Zahlungsausfall zu werten.

Aufgrund der verfehlten Wirtschaftspolitik ist der russische Rubel eine Währung, die schon in den vergangenen Jahren sowohl im Außenwert (Wechselkurs) als auch im Binnenwert (Kaufkraft) immer mehr an Wert verloren hat. Als Putin zum Anfang des Jahrhunderts die Herrschaft in Russland über­nahm, war ein Rubel bezogen auf den Euro ungefähr 4 Cent wert. Drei Viertel des Wertes gingen in zwanzig Jahren Putin-Herrschaft verloren. Vor dem russischen Angriff war der Rubel noch etwas mehr als einen Cent wert. Allein in den ersten zwei Kriegswochen halbierte sich der Wert des Rubels noch einmal.

Jüngst kündigte Putin an, sich von sogenannten „unfreundliche Staaten“ künftig nicht mehr in Dollar oder Euro, sondern in Rubel bezahlen zu lassen. Dies verhalf der russischen Währung zwar kurzfristig zu einer gewissen Erholung, dürfte sich aber schon bald als nächste Fehlentscheidung Putins erwei­sen. Zum einen wäre das ein Verstoß gegen die bestehenden Verträge, womit Russland die eigene Behauptung, ein zuverlässiger Vertragspartner für Öl- und Gaslieferungen zu sein, widerlegt. Zum anderen ist Russland mehr denn je auf die Einnahmen in Dollar und Euro angewiesen, denn interna­tional ist die Bereitschaft, Rubel als Zahlungsmittel zu akzeptieren, auf Null gesunken – auch in China, auf das der Kreml wohl vergeblich als Helfer vertrauen darf. China gehört nicht zu den „unfreundli­chen Staaten“ und wird deshalb darauf bestehen dürfen, seine für Russland nun wichtiger werdenden Handelsbeziehungen in westlichen Hartwährungen abzuwickeln.

Die Ankündigung, vordergründig ein Zeichen der Stärke, ist wieder einmal genau das Gegenteil. Ein Spiegelbild der völlig verfahrenen Situation, in die sich das Regime durch Fehleinschätzungen selbst gebracht hat. Die Devisenreserven, die Russland spätestens seit dem Überfall auf die Krim im Jahr 2014 wohl in Vorbereitung auf den jetzigen Krieg angesammelt hat, sind weitgehend nutzlos. Denn Devisenreserven in Milliardenhöhe kann man weder in Koffern nach Russland tragen – wie vielleicht wenige Millionen Dollar oder Euro in Geldscheinbündeln. Noch kann man US-Dollar oder Euro zu russi­schen Banken überweisen, die dann in Russland zur Verfügung stehen würden. Es liegt in der unver­änderlichen Natur von Kontoguthaben in Fremdwährung, dass dies im Bankensystem des jeweiligen Heimatlandes der Währung verbucht sein muss.

Putins Ankündigung, den Zahlungsverkehr auf Rubel umstellen zu wollen, geschieht also wohl aus Frustration darüber, jahrelang Devisenreserven zur Kriegsvorbereitung angesammelt zu haben, die jetzt als Schutz vor dem Staatsbanktrott nutzlos sind. Was noch bleibt ist China. Aber nur rund 14 Prozent der russischen Devisenreserven werden in chinesischen Renminbi gehalten, umgerech­net weniger als 90 Milliarden US-Dollar von knapp 640 Milliarden. Bei dem Versuch, im internati­onalen Zahlungsverkehr über China mit Renminbi zahlen zu wollen, wird der Kreml merken, wie eingeschränkt die chinesische Währung einsetzbar ist.

Es bleiben die Goldreserven. Rund 2.300 Tonnen des Edelmetalls lagern in den Tresoren der russischen Zentralbank. Ungefähr die Hälfte davon wurde seit der Besetzung der Krim offenbar zur Kriegsvorbereitung gekauft. Denn anders als andere Notenbanken hat Russland sein Gold nicht wie bei solchen Reserven üblich zumindest teilweise an internationalen Handelsplätzen wie London oder New York gelagert, sondern vollständig in Russland. Das mag in der Denke des russischen Diktators klug gewesen sein. Als Zahlungsmittel ist das russische Gold aber praktisch nicht einsetzbar. Denn der Zweck von Devisenreserven, zu denen die Goldbestände der jeweiligen Zentralbank gehören, ist, die heimische Währung im Krisenfall zu stützen, indem man dafür die eigene Währung kauft. Weder mit eingefrorenen Bankguthaben im Westen noch mit Gold aus russischen Tresoren kann Putin dies tun.5

Weil britische Institutionen genau wie solche aus der EU und den USA laut Sanktionsbeschlüssen keinerlei Geschäfte mit der russischen Notenbank machen dürfen, ist Russland effektiv von den wichtigsten Goldhandelsplätzen wie London abgeschnitten. Goldhändler und Banken in anderen Ländern sind nicht bereit, russisches Gold zum Marktpreis zu kaufen, da dies auf westlichen Märkten kaum noch weiterverkäuflich ist. Zudem drohen sogenannte Sekundärsanktionen. Im US-Senat ist bereits ein Antrag auf eine solche Strafmaßnahme gegen alle Käufer und Verkäufer russischen Goldes, in welchem Land auch immer, anhängig.

Aus diesem Grund dürften auch Indien oder China russisches Gold wohl nur mit einem erheblichen Preis­nachlass abnehmen. Russland kann also kaum vom Anstieg des Goldpreises profitieren. Seit Anfang Februar stieg der Preis für eine Unze Gold von rund 1.800 US-Dollar um 15 Prozent auf 2.070 US-Dollar am 8. März. Auch wenn der Goldpreis dieses Niveau nicht halten konnte, müssen Investoren bei ihren Anlagen in das Edelmetall wohl nicht befürchten, dass Russland seine Goldreserven auf den Markt werfen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Haug

Quelle: „GUT ZU WISSEN...“ erscheint bei der Drescher & Cie Gesellschaf t für Wirtschafts- und Finanzinformationen mbH, Postfach 2165, 53744

Generationenberater Zertifikat

Logo klein

Helmut Haug
Ludwigstraße 18b
87437 Kempten

Tel.: 0831-56402-0
Fax.: 0831-56402-20
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Finanz OK bei Facebook

Xing Button

Ihr Depotzugriff:

Ihr persönliches Depot